UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR NEUROLOGIE

Mikrovaskuläre Erkrankungen

 

Die sporadische zerebrale Mikroangiopathie ist eine altersabhängige Erkrankung der kleinen Hirngefäße, die durch das Vorliegen vaskulärer Risikofaktoren beschleunigt wird. Die Gefäßveränderungen entwickeln sich bereits in der mittleren Lebensphase - über Dekaden - und zeigen einen stadienhaften Verlauf. Es kommt zu einer Aktivierung von Zellen der neurovaskulären Einheit mit einer Blut-Hirn-Schranken-Störung, Veränderungen der perivaskulären Drainage dem Umbau der extrazellulären Matrix und Neuroinflammation bis hin Spätstadien aus Blutungen, synaptischer und neuronaler Dysfunktion. Die Diagnose der Mikroangiopathie erfolgt anhand der "Standards for Reporting Vascular Changes on Neuroimaging 2" in der Magnetresonanztomographie, und die der zerebralen Amyloidangiopathie anhand der neuen Boston-Version-2.0 Kriterien. Klinisch kann die Mikroangiopathie asymptomatisch verlaufen oder sich in einem sehr heterogenen Spektrum aus v.a. kognitiven Defiziten und Schlaganfallsymptomen präsentieren. In der Therapie und Beratung betroffener Patienten steht die Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren sowie die Empfehlung körperlicher Aktivität zusammen mit einer guten Schlafhygiene im Vordergrund. Herausfordernd bleiben individuelle Konstellationen der Schlaganfallsprävention durch Antikoagulantien bei gleichzeitig hohem Hirnblutungsrisiko, v.a. bei Vorliegen einer kortikalen superfizialen Siderose. Die sehr dynamischen wissenschaftlichen und translationalen Entwicklungen im Feld der zerebralen Mikroangiopathie zielen auf die Etablierung von Bildgebungs- und anderen Biomarkern, z.B. in Blut und Liquor, ab, die bereits die frühen Krankheitsstadien erfassen. Neue Therapieansätze werden entsprechend fokussiert auf die Stabilisierung der neurovaskulären Einheit und eine Verbesserung der Drainagefunktion abzielen.

 

MR-Bildgebung von Patienten mit zelebraler Mikoangiopathie _2023. Thieme

MR-Bildgebung von Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie gemäß der STRIVE-2-Kriterien.

Zu den Bildgebungsmerkmalen gemäß der STRIVE-2-Kriterien zählen rezente subkortikale Infarkte (A, blau umrandet), periventrikuläre (B, blauer Pfeil oben) und posteriore (B, blauer Pfeil unten) WMH sowie WMH um die Basalganglien (B, blau umrandet). Weiterhin finden sich in der MRT-Bildgebung von Mikroangiopathiepatienten Lakunen (C, blaue Pfeile), perivaskuläre Räume (D, blau umrandet) sowie Mikroblutungen (E, blauer Pfeil).

DWI, Diffusions-gewichtete MRT-Sequenz; FLAIR, engl. fluid attenuated inversion recovery; MRT, Magnetresonanztomographie; T2, MRT mit T2-Wichtung; T2*, MRT mit T2*-Wichtung, WMH, Hyperintensitäten der weißen Substanz (engl. white matter hyperintensities).

 

 Kaskade mikrovaskulärer Veränderungen bei zelebraler Mikroangiopathie _2023. Thieme

Kaskade mikrovaskulärer Veränderungen bei zerebraler Mikroangiopathie

Die mikrovaskulären Veränderungen bei der zerebralen Mikroangiopathie starten mit Initialstadien wie der Aktivierung der NVU sowie einer BHS-Störung gefolgt von der Aktivierung von Immunzellen. Im Krankheitsverlauf kommt es dann zum veränderten Umbau der EZM sowie in späteren Stadien zu einem Gewebeumbau mit Mikroblutungen und Infarkten.

ADAMTS4, engl. a disintegrin and metalloproteinase with thrombospondin motifs 4 - Protease für EZM Turnover; AQP4, Aquaporin 4 - integrales Membranprotein/Wasserkanalprotein; Bcan, Brevican - Proteoglykan der neuralen EZM; BHS, Blut-Hirn-Schranke; BG, Blutgefäß-Lumen; BM, Basalmembran; C1q, Komplementfaktor C1q; CD, engl. Cluster of Differentiation - immunphänotypischer Oberflächenmerkmale von Zellen; CLD5, Claudin-5 - tight-junction-Protein; EZ, Endothelzelle; EZM, extrazelluläre Matrix; IgG, Immunglobulin G - Marker für BHS-Störung; IL1β, Interleukin-1β - proinflammatorisches Zytokin; MMP, Matrix-Metalloprotease - Kollagenase für Gewebeumbau; NVU, neurovaskuläre Einheit (engl. neurovascular unit); OCLDN, Occludin - tight-junction-Protein; PDGFRβ, engl. platelet derived growth factor receptor β - Perizytenmarker; TIMP3, engl. tissue inhibitor of metalloproteinase 3 - Inhibitor der MPPs; VCAM-1, engl. vascular cell adhesion molecule-1 - Adhäsionsmolekül.

 

Bilderquelle: 

[Cerebral Small Vessel Disease: Advances in Understanding its Pathophysiology].

Henneicke S, Meuth SG, Schreiber S. Fortschr Neurol Psychiatr. 2023 Dec;91(12):494-502. doi: 10.1055/a-2190-8957. Epub 2023 Dec 11.PMID: 38081163

 

Letzte Änderung: 17.07.2024 - Ansprechpartner:

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